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Kolumne: 3. Advent: Der Erstkunde als Beta-TesterPG-Team, am 16.12.2012, Seite 1 von 1

Es ist schon eine schöne Sache. Das schwerverdiente Geld liegt auf der hohen Kante und nach einem langen Entscheidungsprozess entschließt man sich dazu dies in die Software eines großen Gamingriesens zu stecken. Dabei soll das Endprodukt hochwertiger Natur sein und man möchte etwas für sein Geld bekommen. So fällt der Entschluss auf das heißeste Spiel im Eisen, den Newcommer am Sternenhimmel. Gerade bei den Day-1 oder Limited Editions warten doch so viele DLC-Boni auf den Käufer, da kann man doch nur belohnt werden und rein gaaaar nichts falsch machen...
Viel zu testen du noch hast!
... weit gefehlt. Die gar nicht so neue Masche der Entwickler ist das bekannte Outsourcing. Produktionskosten senken, indem man in Niederlohnländern sein Glück versucht. Dabei interessiert es uns, dem leichtgläubigen Kunden, doch nur sekundär ob unser Perserteppich vom landesgenössischen Prinzen von Kinderhänden aus Tibet gewebt wurde, oder? Egal in welchem Land man seine Fleischbulette am größten Fertigfraßabfertiger kauft, es schmeckt doch gleich. Dabei spielt Zeit und Geld sowohl eine übergeordnete Rolle, wenn es darum das Qualitätsmaß zu bestimmen. Dabei ist es eigentlich egal in welche Richtung ich schaue, ich kann jedem den schwarzen Peter an die Stirn malen.
Da gibt es Fernost-Konsorten, die über Jahre Hinweg es nicht geschafft haben Übersetzer aus Muttersprachenländern einzustellen. Es gibt Assassinen, die schlichtweg ihren Fortschritt vergessen und dem Spieler ihre Demenz anhängen. Es gibt Revolverhelden, die auf Tostern durch Wände gleiten. Es gibt Fußballstars, die schon im letzten Jahr über ihre eigenen Turntreter gestolpert sind. Es gibt Kartfahrer, die schneller sind als andere, weil sie suizidgefährdet sind. Es gibt die Jäger und Sammler, die nicht alles finden können, weil dies zuvor nicht existierte. Es gibt, fliegende Krokodile, rückwärts strauchelnde Drachen, tanzende Schweine oder stumme Diener. Und diese Auflistung könnte ewig so weiter gehen.

Die Fragen, die bleiben sind:
Lassen wir uns als Erstkäufer, Fans oder Sympathisanten eigentlich so leicht aufs Ohr hauen? Sehen wir es ein Vollpreis für Titel zu bezahlen, beidem wir zudem den Beta-Tester spielen dürfen. Sind und Zeit und Geld so belanglos für uns, dass wir mutwillig korrupten Speicherständen ins Auge schauen?
Die Industrie fragt sich, warum das Gebrauchtgeschäft so viel kaputt macht, ihre Einnahmen schmälert, Online-Pässe heraufbeschwört und Spieler bei Käufen warten lässt. Doch eigentlich sollte sich die Industrie sich selbst an die eigene Nase fassen. Wenn die Qualität stimmt, wird auch ein höherer Preis bezahlt. Wer diesen erzielen möchte, muss im Austausch investieren. Der Kunde muss merken, dass sich die Anschaffung gelohnt hat. Wenn wir dann jedoch nur Einzelteile in den Händen halten, die wir gegen mehr Geld zusammenfügen, oder das Produkt vielleicht gerade mal so läuft und für mehr Frust als Lust sorgt – dann verliert man Kunden, anstatt sie zu binden. Es wird auf späte, funktionale Versionen gewartet, der AAA-Titel aus der Grabbelkiste gefischt. Denn Beta-Testing ist ein Job, für den man im professionellen Bereich eigentlich bezahlt wird, und kein Privileg, für das man zahlt.
Dabei ist das Phänomen des fehlerhaften Spiels gar kein neues. Schon seit der erste Game Code auf einen Datenträger gebannt wurde, existieren nervige Bugs, die beizeiten auch bis zum Spielerkontakt bestehen bleiben. Die Arbeitsbedingungen sind allerdings auch anders gewesen. Die Entwicklerteams waren klein, der Quellcode vergleichsweise übersichtlich und mangels geeigneter Kanäle zur Patch-Distribution musste das Produkt so fehlerfrei wie möglich bis Erscheinen sein. Bei Konsolen aufgrund fest programmierter Cartridges umso mehr. Schlichen sich dann Spielspaßtöter in den Code, war das Spiel zum Scheitern verdammt – zumindest nachdem der Unmut der ersten Opfer die Runde gemacht hat.
Der Fall der letzten Bastion
Und heute? Einen Patch für Kleinigkeiten oder große Patzer rauszuhauen ist so leicht wie nie zuvor. Wenn ein Event in einem Spiel nicht richtig ausgelöst wird, wandert es trotzdem auf den Markt. Kann man ja alles noch mit einem Day-1-Patch richten! Wozu haben die Kunden denn das Internet? Um sich über solch dubiose Taktiken zu informieren? Blödsinn! Auch ist es absolut nicht weiter schlimm, wenn mal ganze Spielinhalte vorübergehend weggesperrt werden, weil der Code unfertig ist und man eine Verschiebung nicht riskieren will. Warum sollte man denn wegen ein paar popeliger Modi auf das wichtige Weihnachtsgeschäft verzichten? Eben.

Lange Zeit wehrte sich aber eine letzte Instanz gegen diesen Patch-Trend. Nun ist diese auch gefallen. Mit der Veröffentlichung von Mario Kart 7 V1.1 ist Nintendo offiziell ins Beta-Business eingestiegen. „Moment!“, schalmeit es uns entgegen. „Das waren doch nur ein paar Exploits. Von weitläufigen Betas und unfertigen Produkten kann doch gar nicht die Rede sein!“ Für die haben wir nur ein Wort und einen Buchstaben: Wii U. Der bekannte 1GB-Monsterpatch zum Release war es erst, der viele Funktionen der Konsole – unter anderem die Wii-Emulation – freischaltete. Sowas darf nicht sein und sollte definitiv nicht Schule machen. Aber auch im Handheld-Business kennen wir das: Der jüngste Features- und Performance-Patch der PS Vita brachte viele Komfortfunktionen und Optimierungen mit sich, die bei Version 1.0 bereits hätten dabei sein müssen. Der 3DS startete ohne Browser und eShop, (un)rühmlicherweise wurde beides erst später durch Updates nachgeliefert. Der Early Adopter agiert als Versuchskaninchen. Als soziales Experiment. Wieviel hält er aus, bevor er abspringt oder explodiert?
Schöne neue Welt?
Wir stecken mittlerweile viel zu sehr in diesem Patch-Sumpf drin, als dass wir da einfach rauskämen. Solange die Produkte trotzdem gekauft werden, ändern die Konzerne ihr Verhalten auch nicht. Und wenn sie es nicht tun, wird das Problem woanders gesucht: Raubkopien, Gebrauchtmarkt, da waren wir ja schon eingangs. Es ist ein Teufelskreis. Und wir schwimmen mit, immer auf der Welle zum nächsten Update.
Aber wie seht ihr das? Fühlt ihr euch auch wie ein Versuchskaninchen im Stall der Entwickler? Oder wird hier viel Wirbel um ein vernachlässigbares Phänomen gemacht, das nur einen geringen Prozentsatz der Spieler tatsächlich betrifft?
Kampf den Käfern! Kevin Jensen und Tjark Michael Wewetzer für PortableGaming.de
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Bei Spielen die in der Entwicklung einfach sind, darf man aus meiner sicht aber nicht so viele Fehler machen, dass sie einem nicht auffallen würden, wenn man dannach sucht. Und wenn man ein fertiges Produkt nicht nach Bugs durchsucht und das den Kunden überlässt um Geld zu sparen, ist das für mich nur dreiste Abzocke.
Gegen Patches an sich hab ich nichts, es dürfen aber nicht zu viele werden.
Aber wegen Zeitdruck oder aus "purer absicht" Modis bzw. Extras rauszulassen
und diese gegen Geld später zu verlangen finde ich übel.
Aber wegem dem ersten Update für den 3Ds.
Das konnte man, glaube ich, noch gut verschmerzen.
Mich hats gestört das der Preis danach gesunken war, aber die Botschafterspiele habens eignt. wieder rausgehauen.
Und das mit der Wii U ist die größte verarsche überhaupt.
Das ist etwas was mich auch stört, eine unfertige Konsole rauszuhauen.
Guter Text übrigens ich liebe die Kolumnen von hier =)
Und ich mag die Bugs. Die Leute von speedrunslive.com gibt es ja nur, weil die ganzen Mario, MegaMan und Zelda Spiele so voller Bugs sind. Allein WrongWarp in OoT ist herrlich. Gannon als Kind besiegen hat schon was für sich und das dann auch noch in unter 25 min. :D
Zudem auch erst ab dem Release-Tag wirklich jedes Use-Case auftritt (wer weiß, was Käufer Nummer 15.423 von insgesamt 250.000 Käufern anstellt, damit der Bug auftritt).
Selbst alte Spiele (NES bspw.) hatten Bug - nur da gab's aus technischen Gründen keine Patches. Und somit nieman d, der sich über Patches aufregen konnte. ;)
Kleinere Bugs die einem zwar aufallen.. aber nicht das ganze Spiel ruinieren... Als erstes fällt mir Skyrim auf der PS3 ein... das da alle Drachen rückwerts flogen... usw. Das muss doch jemanden aufallen..
Da ist Nintendo trotz den jüngsten ereignissen immernoch ein Vorbild. Die Spiele sind meist von wirklich hoher Qualität in diesem bereich. Und wenn es Bugs gibt/gab.. dann nicht solche das einem die Speicherdateien gelöscht werden oder das Bowser bei MarioKart nur noch Rückwerts fährt.
Du hast recht, Nintendo ist da immernoch ein Vorbild.