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Kolumne: 2. Advent: Spoiler-Paranoia

Tjark Michael Wewetzer, am 10.12.2017, Seite 1 von 1

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„Na, vielen Dank auch für den Spoiler! Das hätte ich gerne selbst erlebt…“ Wer sich in Kommentarsektionen oder auf sozialen Medien häufiger rumtreibt, der kennt diese Art Bemerkung sicherlich. Gerade wenn brandaktuelle (US-)Serien, die neuesten Kino-Blockbuster oder eben auch groß gehypte Videospiele für Diskussionsstoff sorgen, gibt es garantiert immer irgendwo einen, der eine gewisse Information ausplaudert und sich somit den Zorn all jener zuzieht, die das Werk aus finanziellen, zeitlichen oder gar releaseterminlichen Gründen noch nicht genießen konnten. Und ich muss an dieser Stelle ganz kleinlaut gestehen, dass ich im Prinzip ebenfalls zu der Kategorie der zornigen Spoiler-Abstrafer zähle. Aber hinter dieser fast schon omnipräsenten Furcht vor Details im Vorfeld eines Releases oder im Zuge ebendieses steckt beinahe schon etwas, das man schlichtweg nur noch Paranoia nennen kann. Denn ab einem gewissen Punkt geht die Angelegenheit dann doch zu weit.

Wobei es im Zeitalter der sozialen Medien zugegebenermaßen schwierig geworden ist, Informationen im Vorfeld aus dem Weg zu gehen. Klar kann man beispielsweise bei Twitter Begriffe und Hashtags filtern, um so bestimmte Dinge auszublenden, doch nicht alle User nutzen diese eben. Die sorgfältigste Wortfilterei bringt nichts, wenn das verräterische Posting lediglich aus einem einzigen Bild besteht. Das machte für mich persönlich die Zeit um den Release von Zelda: Breath of the Wild enorm schwer, weil ich meine Switch samt Spiel erst rund zwei Monate später erhalten sollte, aber eben trotzdem möglichst ohne Vorkenntnisse Hyrule erkunden wollte – mal von den kurzen Demo-Erfahrungen abgesehen. Also fing ich an, nicht nur jede annähernd an Breath of the Wild erinnernde Wortkombination zu filtern, sondern blendete auch ganze User aus, die kommentarlose Screenshots oder anderes Material posteten. Mit der Zeit wurde meine sonst so belebte Twitter-Timeline verflixt still, das sage ich euch! Und doch ist auf diese Weise eben das ein oder andere Detail durchgerutscht, das ich ganz ehrlich gesagt lieber auf eigene Faust entdeckt hätte. Das aktuelle Zelda ist aber nicht das einzige Beispiel für etwas, wo ich persönlich Wert auf eine komplette Info-Sperre gelegt habe. Danganronpa V3, die neueren Fire Emblem-Spiele, Persona 5, im kleineren Stil sogar Super Mario Odyssey… Bei all dem habe ich die Scheuklappen aufgesetzt und rigoros alles ausgeblendet, was mir auch nur entfernt eine Überraschung vorwegnehmen könnte.


Euch wird vielleicht aufgefallen sein, dass dies als Schreiber für eine Website rund um Videospiele eine extrem schwierige Einstellung ist. Bei der Suche nach erwähnenswerten Neuigkeiten stolpert man mal eben über Informationen aus heiß erwarteten Neuerscheinungen, ob man es nun möchte oder nicht. Das beste Beispiel dafür dürften ohne jeden Zweifel Pokémon Sonne und Mond im vergangenen Jahr abgegeben haben, wo die Pokémon Company wohl den unausweichlichen Leakern zuvorkommen wollte und gefühlt das ganze Spiel mit wöchentlichen Ankündigungen offengelegt hat. Aber auch die Kontroverse um Anpassungen in Fire Emblem Fates war etwas, das einfach nicht an mir vorbeiziehen konnte. Schlimmer noch: Weil dermaßen viele widersprüchliche Informationen im Umlauf waren, war Recherche gefragt – und dabei wollte ich doch praktisch komplett ohne Vorwissen in das Spiel einsteigen! Glücklicherweise konnte ich den schwerwiegendsten Handlungseckpunkten dabei noch aus dem Weg gehen, doch das selbstauferlegte Handicap erschwerte die Arbeit verständlicherweise.

Nun habe ich in meiner Position als Schreiber nicht die Möglichkeit, wirklich allem aus dem Weg zu gehen. Sonst hätten wir hier in unserem PortableGaming-Netzwerk noch weniger zu lesen. Doch bei manchen Spoiler-Rufern frage ich mich, ob sie überhaupt ähnliche Schritte vornehmen, wie ich es tue. Bei mir ist es ganz einfach: Ich kenne meinen Spielegeschmack mittlerweile ausreichend gut und scheue auch nicht den ein oder anderen Fehlkauf – etwas, das ohnehin eher selten vorkommt, weil ich recht schmerzfrei bei meinen Videospielfreuden bin. Wenn mich dann also etwas interessiert, achte ich allenfalls noch auf ein Releasedatum und spare mir das Anlesen aller weiteren Infos. Wenn ich wirklich, WIRKLICH erpicht darauf bin, mir nichts vorwegnehmen zu lassen, dann klicke ich auch schlichtweg nichts mehr zu dem Thema an. Keine Trailer, keine Newsmeldungen, nichts. Bei Danganronpa V3 habe ich sogar auf die Demo verzichtet, um mit keinerlei beeinflussenden Ersteindrücken ins Spiel zu gehen. Andere scheinen hingegen trotz Spoiler-Sensitivität weiterhin fröhlich jeden Videoclip verschlingen zu wollen und regen sich dann darüber auf, wenn irgendein Stück aus dem fortgeschrittenen Spielverlauf darunter war. Ich kann das höchstens dann verstehen, wenn es sich bei den herangezogenen Informationen um einen Testbericht handelt. Da möchte sich eben jemand darüber informieren, ob das Objekt seiner Vorfreude auch wirklich das Geld wert ist, dabei aber natürlich nicht die eigene Erfahrung durch vorgreifende Details trüben. Doch selbst in so einem Fall würde ich eben einfach zum Fazit springen und nur im Zweifelsfall den Haupttext grob nach genannten Kritikpunkten überfliegen.


Dieses Verhalten, jedes kleinste Detail zum Spoiler zu erklären, kann seltsame Auswüchse haben. Auf lange Sicht entwertet es im Prinzip diesen Warnhinweis, zumal ihn eigentlich auch jeder für sich anders definiert. Für manch einen sind erst Story-Entwicklungen nach 20 Stunden Spielzeit tabu, andere stören sich bereits an sichtbaren Gruppenmitgliedern in einem Rollenspiel. Wieder andere wollen nicht mal Informationen aus den ersten 30 Spielminuten wissen, während für die nächste Sorte Mensch ein völlig unscheinbarer Gegenstand bereits Grund für einen „Spoiler!“-Aufschrei ist. Gerade im Miiverse, möge es in Frieden ruhen, erlebte man diese Übersensitivität gerne mal. Ich erinnere mich nur zu gerne daran, wie jemand meinen Screenshot von versengtem Essen in Rune Factory 4 als Spoiler deklarierte und das Posting entsprechend meldete.

Es gibt aber auch Situationen, in denen solche Leute ein Eigentor schießen und stattdessen selbst zum Spoilergeber werden. Wenn beispielsweise jemand nur blind spekuliert und ein andere dann mit „Hey, keine Spoiler!“ reingrätscht. Aber auch bei Trailern und Werbe-Screenshots kommt sowas gerne mal vor. Diese sind in der Regel dermaßen aus dem Kontext gerissen, dass man die Szenen nicht direkt mit einem bestimmten Handlungspunkt in Verbindung bringen kann. Wenn jetzt aber jemand in den Kommentaren sich sarkastisch für den Spoiler an Stelle X „bedankt“, dann ruiniert er das im Prinzip auch direkt für andere gleich mit, die eben nicht Bild für Bild durch das Video gegangen sind. Oder es sind Details, auf die nicht jeder achtet. Bei den Werbematerialien rund um Disgaea 5 Complete findet sich beispielsweise ein kleiner Plotpunkt aus dem späteren Spielverlauf. Dieser ist aber so unauffällig, dass er für den Otto-Normal-Beobachter schlichtweg nicht erkennbar ist. Oder um mal etwas in die Vergangenheit zu gehen: Das Handbuch von Kingdom Hearts: Chain of Memories für den Game Boy Advance enthielt ebenfalls ein oder zwei Screenshots, die aus etwas weiter fortgeschrittenen Spielabschnitten stammten. Aber auch hier muss man mit der Lupe rangehen und wirklich genau draufschauen, um das überhaupt erst zu bemerken. Und mal ehrlich, wer liest denn schon Handbücher? Es hat immerhin seine Gründe, weswegen sie zur aussterbenden Art gehören. Leider. *schnüff*


Insofern sollte immer abgewägt werden, bevor man übereifrig die Spoiler-Kelle auspackt. Zumal ich trotz meiner eigenen Paranoia auf dem Gebiet durchaus der Meinung bin, dass wirklich gute Werke selbst mit Vorwissen noch immer überzeugen und bewegen können. Final Fantasy VII zum Beispiel wird mit einer der wohl bekanntesten Story-Wendungen in Verbindung gebracht, weswegen der Schock über das Ereignis natürlich ausbleibt. Doch als ich das Spiel dann über zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung zum ersten Mal selbst durchspielte, so ergriff mich die bereits lang und breit durchgespoilerte Szene immer noch. Obwohl ich wusste, dass sie kommt. Obwohl mir klar war, wann ungefähr sie mich erwartet. Und das ist beileibe nicht das einzige Werk, bei dem ich trotz Vorwissen noch immer mitgerissen wurde und mich in die Handlung oder Spielwelt einleben konnte. Persona 4 habe ich erst gespielt, nachdem ich meinen Bruder durch große Teile seines ersten Spieldurchlaufs begleitete, und trotzdem genoss ich meine Echtleben-Woche im verschlafenen Inaba bis zum Abschluss des Spiels in vollen Zügen. Die bedrückenden Szenen von Danganronpa: Trigger Happy Havoc verloren für mich auch bei der dritten Betrachtung nicht an emotionaler Kraft. Und auch wenn mir das ein oder andere Detail aus Zelda: Breath of the Wild vorweggenommen wurde, so konnte ich doch noch mehr als genug selbst entdecken und habe nach Spielabschluss noch weitaus mehr Dinge gar nicht selbst (heraus)finden können. Wirklich gute Spiele, Filme oder Medien allgemein lassen sich nicht durch das Ausplaudern eines Schockmoments verderben. Sie berühren trotzdem, sie reißen immer noch mit, sie faszinieren und regen zum Denken an. Sie bringen uns zum Lachen oder zum Weinen. Und dafür braucht es keinen Schock-Effekt oder Überraschungsmoment, der nur beim ersten Mal funktioniert.

Was natürlich nicht heißen soll, dass ich irgendjemanden für seine Spoiler-Paranoia verurteilen werde. Wie bereits erwähnt: Ich bin immerhin selbst so drauf. Und ich werde auch sicherlich weiterhin bei bestimmten Spielen, wo ich entschieden ohne Vorkenntnisse hineingehen möchte, nach bestem Willen alle Informationen ausblenden. Aber ich werde die Sache auf jeden Fall lockerer sehen und auch weiterhin niemanden dafür anblöken, wenn er mal ein Detail aus dem späteren Spielverlauf durchsickern lässt. Schlussendlich wollen diese Leute ja auch nur ihre Freude mit dem Medium teilen und meinen es in der Regel nicht böswillig. Außerdem kann man ja schlecht von anderen verlangen, dass sie komplette Funkstille halten, nur weil ein Mensch auf diesem Planeten noch nicht Xenoblade Chronicles 2 gespielt hat, nicht wahr?

Bereitet seine Filterlisten fürs nächste Fire Emblem vor: Tjark Michael Wewetzer für PortableGaming.de

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